Wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder bei Rechtsgeschäften vertreten, sieht §§ 1629 Abs.2, 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB einen Ausschluss vor, sobald es um ein Geschäft mit Verwandten in gerader Linie geht. Klassische Fälle sind Grundstücksübertragungen von Großeltern auf Enkel oder die Abtretung von Erbteilen. Über Jahrzehnte war es herrschende Meinung, dass dieser Ausschluss eines Elternteils, sich auch auf das andere Elternteil erstreckt. Das führte in der Praxis dazu, dass bei jeder Übertragung, die nicht lediglich rechtliche Vorteilhaft für den Minderjährigen war (z.B. die Schenkung einer Eigentumswohnung), ein Ergänzungspfleger bestellt werden musste – ein zeit- und kostenintensiver Umweg, der viele Gestaltungen unnötig erschwerte.
Rechtsprechungswende durch den BGH
Der Bundesgerichtshof hat diese starre Sichtweise 2021 aufgebrochen. In seinem Beschluss vom 24. März 2021 (NJW 2021, 1875) in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren stellte er klar, dass der Vertretungsausschluss nur denjenigen Elternteil betrifft, der tatsächlich in gerader Linie mit dem Vertragspartner verwandt ist. Ein automatisches Durchschlagen auf den anderen Elternteil sei nicht vom Gesetz gedeckt. Diese Linie bestätigte der BGH im Jahr 2024 (NJW 2024, 2176) ausdrücklich auch für verheiratete Eltern. Damit wurde die seit 1972 bestehende gegenteilige Rechtsprechung aufgegeben und die elterliche Vertretungsmacht erheblich gestärkt.
OLG Düsseldorf und die praktische Umsetzung
Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 14. März 2025 (Az. I-3 W 9/25) diese Rechtsprechungsänderung auf die Übertragung von Erbteilen angewendet. Dort sollte ein Großvater seinen Erbteil auf seine Enkel übertragen. Während die Mutter des minderjährigen Kindes wegen des Geschäfts mit ihrem Vater ausgeschlossen war, konnte der Vater das Kind wirksam vertreten. Ein Ergänzungspfleger war nicht erforderlich. Damit bestätigt das Gericht, dass der Vertretungsausschluss nur individuell wirkt und nicht beide Elternteile gleichermaßen trifft.
Relevanz über den Erbteil hinaus: Grundstücksübertragungen im Blick
Die Bedeutung dieser Rechtsprechung reicht aber weit über Erbteilsübertragungen hinaus. Gerade bei lebzeitigen Nachfolgegestaltungen, etwa Grundstücksschenkungen von Eltern oder Großeltern an Kinder und Enkel, war bislang häufig ein Ergänzungspfleger einzuschalten. Das OLG Köln hatte bereits 2022 (Beschl. vom 16.9.2022 – 2 Wx 171/22) entschieden, dass dies nicht erforderlich ist, wenn nur ein Elternteil durch den Vertretungsausschluss betroffen ist. Im Jahr 2025 hat auch das OLG München (Beschl. v. 5.8.2025 – 34 Wx 167/25 e) diese Linie fortgeführt und klargestellt, dass die Vertretung durch den nicht ausgeschlossenen Elternteil genügt, selbst wenn es um die Übertragung von vermietetem Wohnungseigentum geht.
Konsequenzen für die Praxis
Für die Gestaltungspraxis deutet sich damit ein erheblich erleichterter Weg bei Vermögensübertragungen auf Minderjährige an. Ob es um Grundstücke, Eigentumswohnungen oder Erbteile geht – solange nur ein Elternteil vom Vertretungsausschluss betroffen ist, könnte der andere, den Entscheidungen der Oberlandesgerichte zur Folge, den Minderjährigen wirksam vertreten. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers wäre dann nicht mehr zwingend. Das würde Zeit und Kosten sparen und mehr Rechtssicherheit bei lebzeitigen Nachfolgegestaltungen gewährleisten. Da der BGH bislang aber lediglich im Vaterschaftsanfechtungsverfahren entschieden hat, sollten Notare weiterhin die vorherige Abstimmung mit den (Register-)Gerichten und Grundbuchämtern suchen und im Zweifel die Bestellung eines Ergänzungspflegers empfehlen.
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