Bei einem Verkauf einer fremdgenutzten Immobilie innerhalb von 10 Jahren ist der Hinwies auf die Gefahr einer Gewinnbesteuerung gemäß § 23 EStG obligatorisch. Weniger eindeutig ist eine derartige Steuer allerdings, wenn ein Grundbesitz ohne die Zahlung eines Kaufpreises innerhalb der Familie übertragen wird. Für diese Fallkonstellation hat nun der Bundesfinanzhof in einem aktuellen Urteil (v. 11.03.2025, Az. IX R 17/24) an seine Grundsätze zur sog. Trennungstheorie erinnert: Wird ein Grundstück innerhalb der Zehnjahresfrist teilentgeltlich übertragen – etwa, weil der Erwerber ein laufendes Darlehen übernimmt –, ist der Vorgang für Zwecke des privaten Veräußerungsgeschäfts aufzuteilen: in einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Teil, und zwar nach dem Verhältnis der Gegenleistung (z. B. Höhe der Schuldübernahme) zum Verkehrswert des Objekts. Auch wenn das Entgelt insgesamt unter den historischen Anschaffungskosten liegt, entsteht auf dem entgeltlichen Teil ein (anteiliger) Veräußerungsgewinn, weil dort den anteiligen Anschaffungskosten ein Entgelt gegenübersteht. Der BFH hebt damit ein gegenteiliges Urteil des FG auf und bestätigt ausdrücklich die „strenge“ Trennungstheorie im Rahmen des § 23 EStG.
Sachverhalt
Anschaulich wird das an den Zahlen des Falls: Der Kläger hatte 2014 ein vermietetes Grundstück für 143.950 € gekauft und es 2019 auf die Tochter übertragen; sie übernahm ein valutierendes Bankdarlehen von 115.000 €, der Verkehrswert betrug 210.000 €. Das Finanzamt ermittelte durch die Übernahme des Darlehens eine Entgeltlichkeitsquote von 54,76 % (= 115.000 € / 210.000 €) und stellte dieser Quote entsprechend anteilige Anschaffungskosten, AfA und eine Vorfälligkeitsentschädigung gegenüber – Ergebnis: ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn von rund 40.650 € auf dem entgeltlichen Teil. Der BFH trägt diese Berechnungsmethodik mit und betont: Nur der voll entgeltliche Teil ist „veräußert“ i. S. d. § 23 EStG; der unentgeltliche Teil bleibt außerhalb des § 23, dort werden die historischen Anschaffungskosten beim Erwerber fortgeführt. Eine (behauptete) „Doppelbesteuerung“ neben der Schenkungsteuer verneint der BFH.
Folgen für die Gestaltungspraxis
Für die Gestaltungspraxis folgt daraus: Wer innerfamiliär „unter Wert“ überträgt und Schulden mitgibt, realisiert regelmäßig auf dem entgeltlichen Teil einen steuerpflichtigen Gewinn – selbst dann, wenn das vereinbarte (Teil-)Entgelt die historischen Anschaffungskosten insgesamt nicht erreicht. Vermeidbar sind böse Überraschungen nur mit sauberer Vorarbeit: Verkehrswert festlegen, Entgeltbestandteile offenlegen, Zehnjahresfrist und Eigennutzung checken, Kostenpositionen anteilig planen. Nur auf diese Weise kann bereits vor Beurkundung festgestellt werden kann, ob und in welcher Höhe ein steuerpflichtiger Gewinn entsteht. Sollte eine Gewinnbesteuerung drohen, kann mit der Übertragung entweder noch bis zum Ablauf der Haltefrist zugewartet werden oder aber (vorübergehend) der Weg ohne Schuldübernahme, aber mit Vereinbarung eines sog. Vorbehaltsnießbrauchs für den Veräußerer eingeschlagen werden.
Fazit
Die Entscheidung bestätigt die Linie der Vorjudikatur zur Teilentgeltlichkeit und deren quotale Aufteilung bei § 23 EStG. Teilentgeltlichkeit ist somit kein „No-Tax-Land“. Sie erzwingt die saubere Aufteilung in entgeltlich/unentgeltlich; auf dem entgeltlichen Teil greift § 23 EStG mit allen Konsequenzen. Notare sollten bereits im Stadium der Vertragsgestaltung auf etwaige Risiken hinweisen und die Hinzuziehung eines Steuerberaters empfehlen.
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