klühs notar

Neues zur Erbschaftsteuerbefreiung des Familienheims

Mit den steigenden Immobilienwerten in deutschen Großstädten mehren sich auch die besorgten Anrufe bei Notaren, in denen Mandanten sich über die erbschaftsteuerlichen Freibeträge und die Steuerbefreiungen informieren wollen. Bereits an anderer Stelle hatte ich in diesem Blog zu den Voraussetzungen der Erbschaftsteuerbefreiung des Familienheims (§ 13 Abs. 4 b) und c) ErbStG) und das Kriterium der „unverzüglichen“ Selbstnutzung berichtet. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 4c ErbStG durch die Gerichte sehr streng ausgelegt werden.

Aktuelles Urteil des BFH etwas großzügiger

Der BFH hat in einer kürzlich ergangenen Entscheidung (Urt. v. 6.5.2021 – II R 46/19) nun zwar formal an die bisherige strenge Linie der Rechtsprechung angeknüpft, erweist sich im Detail aber aus Sicht der Steuerpflichtigen teilweise als vorteilhafter.

Sachverhalt

Der verstorbene Vater hatte mit seinem Sohn, der gleichzeitig auch Alleinerbe war, jeweils eine von zwei Doppelhaushälften bewohnt. Nach dem Tod des Vaters baute der Sohn das Doppelhaus innerhalb von fast drei Jahren zu einem Einfamilienhaus um und bewohnte dieses dann allein. Das Finanzamt lehnte die Erbschaftsteuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ab, da die Selbstnutzung nicht unverzüglich erfolgte. Die Vorinstanz verwies unter anderem darauf, dass der Sohn mit der Entrümpelung des Hauses erst nach Ablauf von 6 Monaten begonnen und daher die Verzögerung des Einzugs selbst zu vertreten hatte.

Fragen des Hinzuerwerbs

Der BFH nutzt diesen Sachverhalt um einige Grundsatzfragen des Hinzuerwerbs einer Wohneinheit zu klären. Zunächst soll die Steuerbefreiung auch für den Zuerwerb der Erblasserwohnung gelten, solange diese räumlich an die vom Erwerber bereits selbst genutzte Wohnung angrenzt und sodann zu einer einheitlichen selbst genutzten Wohnung verbunden wird. Da die Steuerbefreiung für den Erwerb des Familienheims durch Kinder (im Unterschied zum Erwerb durch den Ehegatten) nur bis zu einer Wohnfläche von 200 qm gilt, musste der BFH darüber hinaus klären, ob sich diese Grenze nur auf die hinzuerworbene Einheit oder die später vereinigte, selbst genutzte Wohnung bezieht. Auch hier will der BFH zugunsten des Steuerpflichtigen nur auf die Größe der hinzuerworbenen Wohnung abstellen.

Unverzüglichkeit der Selbstnutzung

Knackpunkt des Falles war jedoch die gesetzliche Voraussetzung, dass der Erwerber das Familienheim unverzüglich zur Selbstnutzung „bestimmt“. Dabei bekräftigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung, wonach innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten nach dem Erbfall i.d.R. von einer unverzüglichen Selbstnutzung auszugehen ist. Aber auch nach Ablauf dieser Frist kann noch eine unverzügliche Selbstnutzung angenommen werden, wenn der Erwerber die näheren Umstände der zeitlichen Verzögerung im Einzelnen darlegen und glaubhaft machen kann. Dabei muss die Räumung und Entrümpelung zeitnah erfolgen, Aufträge zeitnah erteilt und bei Renovierungsarbeiten alle beschleunigenden und möglicherweise kostenintensiveren Maßnahmen ergriffen werden. Vor diesem Hintergrund ist es einigermaßen überraschend, dass der BFH im zu entscheidenden Fall trotz des erheblichen Zeitablaufs eine unverzügliche Selbstnutzung noch für möglich hält und den Fall zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an die Vorinstanz zurückverweist.

Fazit

Auch nach der erfreulichen Entscheidung des BFH bleibt es für den Erben, der das Familienheim vor dem eigenen Einzug umfangreich sanieren muss, anspruchsvoll, die strengen Vorgaben der Rechtsprechung für eine unverzügliche Selbstnutzung einzuhalten. Jedenfalls ist er in derartigen Fällen angesichts der eigenen Beweislast gut beraten, sich angesichts der hohen Auslastung des Handwerks direkt nach dem Erbfall um entsprechende Betriebe zu bemühen und die eigenen Anstrengungen in Bezug auf den gesamten Sanierungsprozess mit Belegen zu dokumentieren.

Haben Sie zu diesem Thema Fragen oder Anregungen? Dann sprechen Sie meine Mitarbeiter oder mich gerne an.

Dr. Hannes Klühs

20 Jun, 2022

Weitere Themen

Immobilienrecht
Brücker und Klühs Notare
Auswirkungen nachträglicher Ergänzungen unterschriftsbeglaubigter Dokumente

Auswirkungen nachträglicher Ergänzungen unterschriftsbeglaubigter Dokumente

Nachträgliche Änderungen an unterschriftsbeglaubigten Vollzugsdokumenten werfen die Frage auf, ob das Grundbuchamt berechtigt ist, eine erneute Unterschriftsbeglaubigung des Unterzeichners zu verlangen. Dies hängt nach der Rechtsprechung des OLG Karlsruhe davon ab, ob nach einer freien Beweiswürdigung des Grundbuchamtes festgestellt werden kann, dass die Ergänzung von der Person vorgenommen worden ist, die die Unterschrift geleistet hatte, oder jedenfalls von deren Willen gedeckt ist.

Mehr

Notare intern
Gesetzgeber bringt digitale Präsenzbeurkundung auf den Weg

Gesetzgeber bringt digitale Präsenzbeurkundung auf den Weg

Mit dem „Gesetz zur digitalen Präsenzbeurkundung“, welches am 28.06.2024 in erster Lesung im Bundestag beraten wurde, geht der Gesetzgeber einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung des Notarwesens. Zukünftig wird für Notarinnen und Notare die Möglichkeit bestehen, auch bei Präsenzterminen ein elektronisches Dokument zu erstellen, zu beurkunden und digital zu signieren, was bislang nur bei Online Beurkundung möglich war.

Mehr

Unternehmensrecht
Keine Nachreichung einer Schlussbilanz bei Verschmelzung einer GmbH

Keine Nachreichung einer Schlussbilanz bei Verschmelzung einer GmbH

§ 17 Absatz 2 S. 4 UmwG regelt eine 8-Monats-Frist, wonach das Registergericht eine Verschmelzung nur eintragen darf, wenn die der Anmeldung zum Register des übertragenden Rechtsträgers beizufügende Schlussbilanz auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt ist. Wird die Schlussbilanz nach dem 8-Monats-Zeitraum nachgereicht, ist das nach Auffassung des OLG Düsseldorf jedenfalls dann nicht hinreichend, wenn die betreffende Bilanz erst nach Ablauf des Zeitraums erstellt und unterschrieben worden ist.

Mehr

Immobilienrecht
Berechtigtes Interesse für Grundbucheinsicht

Berechtigtes Interesse für Grundbucheinsicht

Ein berechtigtes Interesse zur Einsichtnahme in das Grundbuch kann sich aus unterschiedlichen Umständen ergeben, sodass jeder Einzelfall sehr sorgfältig zu prüfen ist. Nicht ausreichend sind jedenfalls wirtschaftliche Interessen an einem Grundstück, wenn noch kein Kontakt zu dem Eigentümer besteht und die Grundbucheinsicht nur der Ausforschung der Eigentumsverhältnisse dient.

Mehr

Nachfolgeplanung und Vorsorge
Brücker und Klühs Notare
Sittliche Rechtfertigung einer Volljährigenadoption bei intakten Beziehung zu den leiblichen Eltern

Sittliche Rechtfertigung einer Volljährigenadoption bei intakten Beziehung zu den leiblichen Eltern

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Volljährigenadoption ist, dass die Annahme sittlich gerechtfertigt ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist (§ 1767 Abs. 1 BGB). Das Familiengericht kann am Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen den Annehmenden und dem volljährigen Anzunehmenden zweifeln, wenn der Anzunehmende eine intakte Beziehung zu seinen eigenen leiblichen Eltern bzw. zu seiner eigenen Familie unterhält.

Mehr

Nachfolgeplanung und Vorsorge
Wirksames Testament bei Errichtung auf einem Notizzettel einer Brauerei

Wirksames Testament bei Errichtung auf einem Notizzettel einer Brauerei

Bei untypischen Testamentsformen sind grundsätzlich an den Nachweis des Testierwillens strengere Anforderungen zu stellen. Das OLG Oldenburg hat ein Testament, das auf einem Notizzettel einer Brauerei, auf dem in der Regel gastronomische Bestellungen notiert werden, errichtet worden war, gleichwohl für wirksam erachtet.

Mehr

Steuerrecht
BFH schränkt Ausnahme von Spekulationsteuer wegen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ein

BFH schränkt Ausnahme von Spekulationsteuer wegen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ein

Ausgenommen von einer Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind Immobilien, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Der BFH schränkt nun mit zwei praxisrelevanten Urteilen den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift des  § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ein.

Mehr

ImmobilienrechtSteuerrecht
Brücker und Klühs Notare
Zuwendung eines Immobiliennießbrauchs an Kinder ist keine missbräuchliche Gestaltung

Zuwendung eines Immobiliennießbrauchs an Kinder ist keine missbräuchliche Gestaltung

Um die gegenüber den Kindern ohnehin bestehenden Barunterhaltspflicht nachzukommen sowie Steuerfreibeträge der Kinder und das steuerliche Progressionsgefälle zu den Eltern auszunutzten, kann an vermieteten Immobilien ein Immobiliennießbrauch zugunsten der Kinder begründet werden. Diese Gestaltung ist nach dem BFH dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn die Nutzungsberechtigten im Außenverhältnis als Vermieter in Erscheinung treten.

Mehr

Immobilienrecht
Brücker und Klühs Notare
Genehmigung des Familien-, Betreuungs- oder Nachlassgerichts der aufgrund Finanzierungsvollmacht bestellten Grundschuld

Genehmigung des Familien-, Betreuungs- oder Nachlassgerichts der aufgrund Finanzierungsvollmacht bestellten Grundschuld

Die meisten Grundbuchämter in Deutschland verlangen für die Eintragung von Grundpfandrechten auf der Grundlage einer in einem genehmigungsbedürftigen Kaufvertrag enthaltenen Belastungsvollmacht eine eigenständige gerichtliche Genehmigung. Nunmehr hat sich das OLG Düsseldorf gegen diese Meinung gestellt und entschieden, dass die Bestellung einer Grundschuld zur Kaufpreisfinanzierung dann nicht dem Erfordernis einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung unterfällt, wenn die Grundschuld vom Grundstückskäufer in Ausübung einer ihm im notariellen Grundstückskaufvertrag erteilten, konkret umgrenzten Belastungsvollmacht bestellt worden ist.

Mehr