In Fällen der Beteiligung von Venture-Investoren in Start-up-Unternehmen, ist es von maßgeblicher Bedeutung, dass die Gründer bzw. das Managementteam dem Unternehmen möglichst lange erhalten bleiben und dieses nicht frühzeitig verlassen. Damit diese stärker an das Unternehmen gebunden werden, wird häufig vorgesehen, dass der vorzeitig ausscheidende Gründer bzw. der Manager, dem eine gesellschaftliche Beteiligung am Unternehmen eingeräumt wurde, seine Beteiligung ganz oder teilweise verliert. Solche Leaver- und Vesting-Regelungen sind einserseits typische Bestandteile von Manager- und Mitarbeiterbeteiligungsmodellen, werden aus den vorgenannten Gründen aber häufig auch bei einem Investoreneinstieg in vereinbart.
Gestaltung von Vesting Klauseln
Die Gestaltung der Rückübertragungsverpflichtung kann durch schuldrechtliche Vereinbarung (Abtretungsverpflichtung) und/oder durch eine entsprechende Gestaltung des Gesellschaftsvertrages (Einziehung) sichergestellt werden. Im Rahmen einer schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarung wird häufig eine Call Option der Mitgesellschafter vorgesehen, mit der sie ggf. die Übertragung auf einen Dritten, bspw. einen Nachfolger in der Geschäftsführung, verlangen können. Üblicherweise wird dabei ein abgestuftes Vesting aufgenommen, d. h. dem geschäftsführenden Gesellschafter bzw. Mitarbeiter „wächst“ ein bestimmter Prozentsatz seiner Beteiligung über einen gewissen Zeitraum an. Je länger er also tätig war, umso sicherer wird seine Rechtsposition als Gesellschafter. Eine weitere übliche Differenzierung erfolgt nach dem Grund des Ausscheidens, indem zwischen einem „Good Leaver“ und einem „Bad Leaver“ unterschieden wird.
Unwirksamkeit von Vesting-Regelungen?
Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Klauseln, die es der Mehrheit der Gesellschafter ermöglichen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen (sog. „Hinauskündigungsklauseln“) grundsätzlich nach § BGB § 138 BGB nichtig sind (BGH, Urteil vom 09-07-1990 – II ZR 194/89). Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn außergewöhnliche Umstände bzw. besondere Umstände eine solche Klausel sachlich rechtfertigen. Als sachliche Rechtfertigung für die Einziehung ist anerkannt, wenn die Geschäftsanteile dem Gesellschafter mit Rücksicht auf ein anderes Rechtsverhältnis gewährt wurden und lediglich einen Annex zu diesem Rechtsverhältnis darstellen. Anerkannte Ausnahmen sind die Fallgestaltungen des Manager- oder des Mitarbeiterbeteiligungsmodells. Inwieweit die Interessenlage bei einem Ausscheiden des Gründerteams nach Investoreneinstieg mit den Fällen des Manager- bzw. Mitarbeiter-Modells vergleichbar ist, wird derzeit verstärkt diskutiert.
Entscheidung des Kammergerichts
Hierzu liegt nunmehr eine erste Gerichtsentscheidung des Kammergerichts vor (Hinweisbeschl. v. 12.8.2024 – 2 U 94/21). Der betreffende Gründungsgesellschafter einer GmbH hatte seinen Mitgesellschaftern in einem Shareholders‘ Agreement ein bedingtes Kauf- und Abtretungsangebot zum Nominalwert seiner Anteile unterbreitet, womit ein Anreiz für ein langfristiges Engagement geschaffen werden sollte (Vesting). Nachdem der Kläger innerhalb des Vestingzeitraums gekündigt hatte, wurde die Erwerbsoption ausgeübt. Der betroffene Gesellschafter hält die Regelung nunmehr für nichtig, § 138 Abs. 1 BGB.
Das Kammergericht folgt dem nicht. Die Investoren hätten ein praktisches Bedürfnis nach einer (zeitlich limitierten) Vesting-Regelung, da sie darauf angewiesen seien, dass sich die Gründer weiterhin mit ihrem Know-How voll einbringen. Auch liege die Vesting-Regelung im Interesse der übrigen Gründer, da sie nicht nur der Einwerbung von Investoren diene, sondern hierdurch auch künftige Unstimmigkeiten im Gesellschafterkreis „verhältnismäßig einfach“ durch einen Ausschluss eines Mitgründers gelöst werden könnten. Dass die Eigenkündigung im ersten Jahr des insgesamt dreijährigen Vesting-Zeitraums zu einem Verlust sämtlicher Geschäftsanteile führe, sei daher angemessen.
Fazit
Die Zulässigkeit von Vesting-Regelungen gerät immer mehr in den Fokus der Rechtspraxis. Bis zur endgültigen Klärung durch den BGH verbleibt eine gewisse Rechtsunsicherheit.
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