klühs notar

Wegfall der Geschäftsgrundlage bei einem Übertragungsvertrag mit Pflegeverpflichtung

Ein Klassiker der notariellen Gestaltungen ist immer noch die Übertragung einer Immobilie unter Zurückbehalt eines Wohnungsrechts und mit Pflegeverpflichtung des Erwerbers gegenüber dem Übernehmer. Zwar werden Pflegeverpflichtungen heute nicht mehr so oft vereinbart wie früher, da Generationen heute nicht mehr selbstverständlich unter einem Dach zusammenleben und Erwerber aufgrund der Berufstätigkeit beider Ehegatten oftmals bereits zeitlich nicht in der Lage sind, einen betagten Übergeber zu versorgen. Andererseits gibt es noch immer ein gesellschaftspolitisches Bedürfnis der älteren Generation nach derartigen Vereinbarungen. Nicht zuletzt wollen auch weichende Geschwister bei Übertragung des oftmals einzigen Vermögensgegenstandes der Eltern Sicherheit dafür haben, dass die Pflege der Eltern durch den Erwerber gesichert ist.

Zerrüttung des Verhältnisses zwischen pflegenden und zu pflegenden Personen oftmals vergessen

Bei der Ausgestaltung derartiger Vereinbarungen werden oftmals unter Heranziehung der Pflegegrade der Pflegeversicherung umfangreiche Regelungen bzgl. des Leistungsumfangs und der Rechtsfolgen nicht vereinbarungsgemäß erbrachter Leistungen getroffen. Weniger im Blickfeld der Beteiligten steht dagegen der Aspekt, dass die persönliche Beziehung zwischen den pflegenden und den gepflegten Angehörigen während des mitunter sehr langen Pflegezeitraum derart in die Brüche gehen kann, dass der zu pflegende Übergeber an einer Pflege durch den Erwerber kein Interesse mehr hat.

BGH: Wegfall der Geschäftsgrundlage

Welche Rechtsfolgen sich aus einer derartigen Konstellation ergeben können, zeigt ein aktuell durch den BGH entschiedener Fall (Urt. v. 09.07.2021, Az. V ZR 30/20). Im November 2013 übertrug der schwer herzkranke Kläger sein Wohnhausgrundstück an seine Schwester, wobei ihm an bestimmten Räumen ein Wohnrecht eingeräumt und eine Pflegeverpflichtung der Schwester vereinbart wurde. Die Beklagte Schwester bezog das Haus mit ihrem Ehemann, ihrer Tochter und dem Schwiegersohn. In der Folge kam es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten. Ab März 2014 erbrachte die Beklagte keine Pflegeleistungen mehr und der Kläger erklärte den Rücktritt vom Vertrag, da ihm aufgrund des Zerwürfnisses nicht mehr zugemutete werden könne, Pflegeleistungen der Beklagten anzunehmen.

Der BGH entscheidet zugunsten des Klägers und verurteilt die Beklagte zur Rückübertragung des Grundstücks. Bei einem Übertragungsvertrag mit Pflegevereinbarung unter Geschwistern sei die dauerhafte, von gegenseitigem Vertrauen der Parteien getragene Beziehung im Zweifel Geschäftsgrundlage des Vertrags. Ist das Verhältnis zwischen dem Übertragenden und dem Übernehmenden heillos zerrüttet, führe dies – vorbehaltlich vertraglicher Vereinbarungen – zu dem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Der Übertragende kann in diesem Fall die Rückübertragung verlangen, es sei denn, die Zerrüttung ist eindeutig ihm allein anzulasten, wofür allerdings die Beklagte beweispflichtig war.

Fazit

Im Lichte der BGH Rechtsprechung sollten Übertragungsverträge mit Pflegeverpflichtung zukünftig auch regeln, welche Rechtsfolgen durch einen Bruch der Vertrauensbeziehung der Vertragsbeteiligten ausgelöst werden. Der Notar sollte daher bereits im Vorfeld der Vertragserstellung bei den Beteiligten nachfragen, welche Alternativlösungen sie für ein derartiges Szenario für angemessen halten.

Haben Sie zu diesem Thema Fragen oder Anregungen? Dann sprechen Sie meine Mitarbeiter oder mich gerne an.

Dr. Hannes Klühs

23 Feb., 2022

Weitere Themen

Immobilienrecht
Ausschluss der Vermietung an Asylbewerber in einer Gemeinschaftsordnung

Ausschluss der Vermietung an Asylbewerber in einer Gemeinschaftsordnung

Durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer im Rahmen einer Gemeinschaftsordnung kann das Recht auf Vermietung des Sondereigentums beschränkt oder für bestimmte Fälle ganz ausgeschlossen werden. Das Kammergericht hat sich nun der Frage gewidmet, nwieweit derartige Vereinbarungen der Wohnungseigentümer dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) entsprechen müssen.

Mehr

Immobilienrecht
Zulässigkeit der Einreichung eines Aufteilungsplans in Papierform in einem Format größer als DIN A3

Zulässigkeit der Einreichung eines Aufteilungsplans in Papierform in einem Format größer als DIN A3

Seit der Neufassung der AVA zum  06.07.2021 regelt § 3 Abs. 3 S. 1 AVA, dass die Planseiten der einzureichenden Aufteilungspläne maximal das Format DIN A3 aufweisen dürfen. Werden abweichend hiervon größere Planunterlagen eingereicht und wird daraufhin die Abgeschlossenheit bescheinigt, stellt sich die Folgefrage, inwieweit das Grundbuchamt diese nicht gesetzteskonformen Unterlagen zur Grundlage der Eintragung machen darf.

Mehr

ImmobilienrechtNachfolgeplanung und Vorsorge
Probleme beim Erbnachweis mittels notariellem Testament im Grundbuchverfahren Teil 2

Probleme beim Erbnachweis mittels notariellem Testament im Grundbuchverfahren Teil 2

In der Praxis der Testamentsgestaltung wird die Schlusserbeneinsetzung durch die Erblasser-Ehegatten häufig damit auflösend bedingt, dass die vorgesehenen pflichtteilsberechtigten Schlusserben nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten den Pflichtteil fordern. Das führt zu Nachweisproblemen im Grundbuchverfahren, wenn im Erbfall dann das Grundbuch berichtigt werden soll.

Mehr

Unternehmensrecht
Zulässige Hinauskündigungsklausel in Form einer Vesting-Regelung bei einem Start-up

Zulässige Hinauskündigungsklausel in Form einer Vesting-Regelung bei einem Start-up

Die Zulässigkeit von Vesting-Regelungen gerät immer mehr in den Fokus der Rechtspraxis. Hierzu liegt nunmehr eine erste Gerichtsentscheidung des Kammergerichts vor. Danach haben Investoren ein legitimes praktisches Bedürfnis nach einer (zeitlich limitierten) Vesting-Regelung, da sie darauf angewiesen seien, dass sich die Gründer weiterhin mit ihrem Know-How voll einbringen.

Mehr

ImmobilienrechtNachfolgeplanung und Vorsorge
Probleme beim Erbnachweis mittels notariellem Testament im Grundbuchverfahren Teil 1

Probleme beim Erbnachweis mittels notariellem Testament im Grundbuchverfahren Teil 1

Aus § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 GBO ergibt sich, dass falls das Grundbuchamt die Erbfolge durch vorgelegte notarielle letzwillige Verfügung nicht für nachgewiesen erachtet, es die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses verlangen kann. Das Kammergericht hat nun für die Fallgruppe der im Testament nicht namentlich benannten Kinder entschieden, dass auch eine eidesstattliche Erklärung der Erben nicht immer ausreichend ist.

Mehr

Immobilienrecht
Schadensersatzpflicht wegen Nichtgenehmigung eines Grundstückskaufvertrags durch die Erben

Schadensersatzpflicht wegen Nichtgenehmigung eines Grundstückskaufvertrags durch die Erben

Wird der Verkäufer in einer Beurkundungsverhandlung über einen Grundstückskaufvertrag vollmachtlos vertreten, hängt die Wirksamkeit des Vertrags von seiner nachträglichen Genehmigung ab. Im Fall des Ablebens des Verkäufers vor Genehmigungserklärung kommt es auf das Verhalten des oder der Erben an. Verweigern diese die nachträgliche Genehmigung, stellt sich für den Käufer die Frage nach einer Schadenersatzpflicht wegen eines grundlosen Abbruchs von Vertragsverhandlungen (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB).

Mehr

Immobilienrecht
Brücker und Klühs Notare
Auswirkungen nachträglicher Ergänzungen unterschriftsbeglaubigter Dokumente

Auswirkungen nachträglicher Ergänzungen unterschriftsbeglaubigter Dokumente

Nachträgliche Änderungen an unterschriftsbeglaubigten Vollzugsdokumenten werfen die Frage auf, ob das Grundbuchamt berechtigt ist, eine erneute Unterschriftsbeglaubigung des Unterzeichners zu verlangen. Dies hängt nach der Rechtsprechung des OLG Karlsruhe davon ab, ob nach einer freien Beweiswürdigung des Grundbuchamtes festgestellt werden kann, dass die Ergänzung von der Person vorgenommen worden ist, die die Unterschrift geleistet hatte, oder jedenfalls von deren Willen gedeckt ist.

Mehr

Notare intern
Gesetzgeber bringt digitale Präsenzbeurkundung auf den Weg

Gesetzgeber bringt digitale Präsenzbeurkundung auf den Weg

Mit dem „Gesetz zur digitalen Präsenzbeurkundung“, welches am 28.06.2024 in erster Lesung im Bundestag beraten wurde, geht der Gesetzgeber einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung des Notarwesens. Zukünftig wird für Notarinnen und Notare die Möglichkeit bestehen, auch bei Präsenzterminen ein elektronisches Dokument zu erstellen, zu beurkunden und digital zu signieren, was bislang nur bei Online Beurkundung möglich war.

Mehr

Unternehmensrecht
Keine Nachreichung einer Schlussbilanz bei Verschmelzung einer GmbH

Keine Nachreichung einer Schlussbilanz bei Verschmelzung einer GmbH

§ 17 Absatz 2 S. 4 UmwG regelt eine 8-Monats-Frist, wonach das Registergericht eine Verschmelzung nur eintragen darf, wenn die der Anmeldung zum Register des übertragenden Rechtsträgers beizufügende Schlussbilanz auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt ist. Wird die Schlussbilanz nach dem 8-Monats-Zeitraum nachgereicht, ist das nach Auffassung des OLG Düsseldorf jedenfalls dann nicht hinreichend, wenn die betreffende Bilanz erst nach Ablauf des Zeitraums erstellt und unterschrieben worden ist.

Mehr