In der notariellen Praxis spielt die Frage nach der korrekten Wohnfläche einer Immobilie eine untergeordnete Rolle. In Bauträgerverträgen über neu errichtete oder sanierte Objekte ist zwingend die Wohnfläche mit der entsprechenden Berechnungsmethode anzugeben. Darüber hinaus enthalten die Verträge beinahe immer detailliert Regelungen für den Fall etwaiger Mehr- oder Minderflächen. Der Erwerb einer gebrauchten Immobilie dagegen erfolgt in aller Regel in dem besichtigten Ist-Zustand, ohne dass der Verkäufer für das Flächenmaß eine Haftung übernehmen würde. Dies ist insbesondere deshalb plausibel, weil sich die meisten Verkäufer selbst hinsichtlich der Wohnfläche auf Angaben in der Teilungserklärung oder dem Erstkaufvertrag verlassen müssen und eine eigene Vermessung des Kaufobjekts nie erfolgt ist.
Gefahren für Kapitalanleger durch Abweichung der tatsächlichen von der vereinbarten Wohnfläche
Gerade für Erwerber vermieteter Immobilien birgt die Unsicherheit hinsichtlich der tatsächlichen Wohnfläche aber Gefahren. Während Selbstnutzer letztlich unabhängig von der tatsächlichen Größe in die Immobilie einziehen, die sie vor dem Kauf besichtigt haben, übernehmen Kapitalanleger einen Mietvertrag, in dem eine konkrete Wohnfläche, zumindest mit ca-Angabe vereinbart ist. Nach stetiger Rechtsprechung des BGH liegt ein Mangel zwar erst ab einer Abweichung der tatsächlichen von der vereinbarten Wohnfläche von mehr als 10 % vor. Für die Berechnung der Wohnfläche existieren jedoch verschiedene Berechnungsmethoden (z.B. die Wohnflächenverordnung – WoFlV oder DIN 283 oder nach Rohbaumaßen), die zum Teil zu erheblichen differierenden Ergebnissen kommen können.
BGH: Vorrang der vertraglichen Vereinbarung
Diese Grundsätze hat der BGH in einer neuen Entscheidung (Beschluss v. 22.06.2021, Az: VIII ZR 26/20) erst kürzlich bestätigt und ausgeführt, dass der Begriff der Wohnfläche auslegungsbedürftig ist. Vorrangig gegenüber allgemeingültigen Berechnungsmethoden sei aber in jedem Fall die konkrete Vereinbarung im Mietvertrag, was im zu entscheidenden Fall zur Folge hatte, dass die im Mietvertrag als Wohnraum titulierten Räume im Kellergeschoss zur Wohnfläche zählten und somit mangels Überschreitung der 10 %-Grenze kein Mangel gegeben war.
Folgerungen für Alternativsachverhalte
Anders sieht es jedoch aus, wenn eine solche konkrete Vereinbarung zur Wohnflächenberechnung sich nicht aus dem Mietvertrag ergibt. Dann droht bei erheblicher Unterschreitung der Wohnfläche aufgrund einer vom Gericht herangezogenen Berechnungsmethode (etwa WoFlV) eine mangelbasierte Mietminderung. Ebenfalls unbeachtlich sind derartige Vereinbarungen für etwaige Mieterhöhungsverlangen des Vermieters. Hierfür stellte der BGH in der vorgenannten Entscheidung fest, dass für die Mieterhöhung nur die nach objektiven Kriterien ermittelte Wohnfläche der streitigen Wohnung maßgeblich sein könne (§ 558 Abs. 5 BGB).
Fazit
Kapitalanleger, die eine gebrauchte Immobilie erwerben, sollten vor Abschluss des Kaufvertrags die bestehenden Mietverträge in Bezug auf die dort vereinbarte Wohnfläche überprüfen und sich vom Verkäufer die diesem ggf. vorliegenden Nachweise in Bezug auf die tatsächliche Wohnfläche vorlegen lassen. Im Zweifelsfall kann es sich empfehlen, durch einen Architekten ein eigenes Aufmaß der Flächen vornehmen zu lassen, um etwaige Risiken in Bezug auf die Vermietbarkeit und die Finanzierung durch Kreditinstitute auszuschließen.
Haben Sie zu diesem Thema Fragen oder Anregungen? Dann sprechen Sie meine Mitarbeiter oder mich gerne an.