Werden Immobilien mit dem Ziel erworben, an dem aufstehenden Gebäude einer Kernsanierung durchzuführen, dann sind bestehende Mietverhältnisse hinderlich. Schließlich können die anstehenden baulichen Maßnahmen ohne Rücksichtnahme auf Hausbewohner schneller und effektiver durchgeführt werden. Vor diesem Hintergrund loten Kaufvertragsparteien nicht selten schon im Vorfeld der Beurkundung entsprechender Immobilientransaktionen Möglichkeiten aus, die noch verbliebenen Mieter durch Abfindungszahlungen zum zeitnahen Auszug aus der Immobilie zu bewegen.
Steuerliche Einordnung von Mieterabfindungen
Derartige Mieterabfindungen sind für den Käufer jedenfalls dann weniger schmerzhaft, wenn er die geleisteten Zahlungen sofort in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen kann. Dies stand aber bis zuletzt in Frage, da in einem konkreten Fall die Finanzverwaltung und ihr folgend das FG Münster die Abfindungen als anschaffungsnahe Herstellungskosten qualifiziert hatten. Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten, § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 i. V. m. § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG). Im entschiedenen Fall überschritten die gezahlten Abfindungen, unter Einbeziehung der weiteren Renovierungskosten, die im Gesetz genannte 15 Prozent-Grenze in Bezug auf die Anschaffungskosten des Gebäudes.
BFH urteilt für einen sofortigen Werbungskostenabzug
Der BFH hat dem nun in einer neueren Entscheidung (Urt. v. 20.9.2022 – IX R 29/21) widersprochen. Die vom FG vorgenommene Ausdehnung des Begriffs der anschaffungsnahen Herstellungskosten (analog zur Rechtsprechung bei originären Herstellungskosten) auch auf sonstige Aufwendungen, die in einem (mittelbaren oder unmittelbaren) Veranlassungszusammenhang mit den baulichen Maßnahmen stünden, sei nicht zu folgen. Deren Anwendungsbereich sei auf bauliche Maßnahmen an Einrichtungen des Gebäudes oder am Gebäude selbst beschränkt. Mieterabfindungen stellten aber keine Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen an der Gebäudesubstanz dar, so dass sie nicht zu den baulichen Maßnahmen gehörten.
Fazit
Der BFH definiert den Begriff der anschaffungsnahen Herstellungskosten sehr eng und erlaubt daher den direkten Werbungskostenabzug für Aufwendungen, die nicht direkt reine Instandsetzungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen betreffen. Neben Mieterabfindungen können darunter somit auch Planungs- und Gutachterkosten fallen. Dadurch werden Sanierungsvorhaben im Altbau steuerlich attraktiver.
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