Ein häufig unterschätztes Problem des Notars bei der Gestaltung eines Grundstückskaufvertrags besteht darin, das verkaufte Grundstück in der Urkunde zutreffend zu bezeichnen. Nicht selten besteht der Kaufgegenstand nämlich aus mehreren, zum Teil nur sehr kleinen Teilgrundstücken, die darüber hinaus oftmals in verschiedenen Grundbuchblättern verzeichnet sind. Werden dem Notar durch die Beteiligten und ggf. den beauftragten Makler die zu verkaufenden Grundstücke nur unvollständig mitgeteilt und lässt sich die Zugehörigkeit eines weiteren Grundstücks zum Kaufgegenstand nicht durch Anhaltspunkte im Grundbuch (etwa durch eine gesamtheitliche Belastung) ableiten, können einzelne Flurstücke bei der Beurkundung vergessen werden. Sind sich die Beteiligten nach der Aufdeckung über ihren beidseitigen Irrtum einig, erfolgen Nachbeurkundungen von „vergessenen“ Flurstücken oftmals noch Jahre nach der Besitzübergabe und dem ursprünglichen Eigentumserwerb.
Folgen eines einseitigen Irrtums des Käufers
Seltener ist der Fall, in dem lediglich eine Kaufvertragspartei der Auffassung ist, in der Kaufvertragsurkunde sei ein mitverkauftes Flurstück „vergessen“ worden. Eine solche Konstellation lag dem Urteil des BGH vom 23.06.2023 (Az. V ZR 89/22) zu Grunde. Die klagenden Grundstückskäufer gingen bei Abschluss des Kaufvertrags davon aus, dass auch das nur 19 Quadratmeter große angrenzende Flurstück zu dem erworbenen Hausgrundstück dazugehöre. In Wahrheit gehörte das kleine Teilstück allerdings dem Nachbarn. Nach Offenbarung des Irrtums verlangen die Käufer Rückabwicklung, da es ihnen ganz entscheidend auf den Miterwerb des angrenzenden Flurstückes angekommen sei und die Verkäufer Kenntnis von diesem Umstand gehabt hätten.
Fehlendes Flurstück ist keine Beschaffenheit der Kaufsache
Der BGH verneint die Möglichkeit eines Rücktritts. Ein solcher scheide zunächst unter dem Gesichtspunkt der Sachmangelhaftung wegen Fehlens einer vertraglichen Beschaffenheit des Kaufgegenstandes aus. Zur Beschaffenheit eines verkauften Grundstücks gehöre es nicht, dass es sich auf ein Nachbargrundstück erstrecke; eine solche Vereinbarung lege den Kaufgegenstand selbst und nicht lediglich dessen Beschaffenheit fest. Um eine Beschaffenheitsvereinbarung annehmen zu können, hätte die Erstreckung auf das Nachbargrundstück nach Ansicht der Bundesrichter auch im Vertrag aufgenommen werden müssen. Ansonsten könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien mit Rechtsbindungswillen handelten.
Auch keine unschädliche Falschbezeichnung des Grundstücks im Kaufvertrag
Die Richter konnten schließlich auch nicht erkennen, dass sich die Beteiligten auf den Kauf eines aus beiden Flurstücken bestehenden Grundstücks geeinigt und den Kaufgegenstand in dem notariellen Kaufvertrag nur versehentlich falsch bezeichnet hätten (falsa demonstratio non nocet). Dass mehr oder weniger verkauft werden soll als in dem notariellen Grundstückskaufvertrag genannt, sei eine eng begrenzte Ausnahme. Dies gelte umso mehr, wenn das vermeintlich mitverkaufte, im Vertrag aber nicht bezeichnete Grundstück nicht im Eigentum des Verkäufers stehe. Denn es stelle den absoluten Regelfall dar, dass der Verkäufer eines Grundstücks nur das ihm gehörende Grundstück, nicht aber auch das nicht in seinem Eigentum stehende Nachbargrundstück oder auch nur Teile davon verkaufen will.
Schadenersatzanspruch bereits verjährt
Der BGH betont in seinem Urteil aber, dass die Verkäufer in einem solchen Fall wegen Verschuldens bei Vertragsschluss haften könnten (culpa in contrahendo, kurz: c. i. c.), wenn sie falsche Vorstellungen bei den Käufern hervorrufen und nicht über den wahren Grenzverlauf aufklären. Ein solcher Anspruch aus c. i. c. war in diesem Fall aber bereits verjährt. Auch ein mögliches Anfechtungsrecht der klagenden Käufer war aufgrund der verstrichenen Zeit ausgeschlossen.
Fazit
Bei einem Immobilienkaufvertrag sollten die Beteiligten bei der Ermittlung der tatsächlichen Grundstücksgrenzen und der Mitteilung der verkauften Grundstücke an das Notariat große Sorgfalt an den Tag legen. Im Zweifelsfällen sollte vorab das Gespräch mit dem Notar gesucht und bei unklarem Grenzverlauf möglicherweise auch ein öffentlicher Vermessungsingenieur hinzugezogen werden.
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