Ein Grund für die notarielle Beurkundungsbedürftigkeit von Rechtsgeschäften ist die unmissverständliche und fehlerfreie Wiedergabe der Erklärungen der Beteiligten und die damit verbundene Beweisfunktion. Damit geht für Notare eine große Verantwortung einher, da die Vollständigkeit und Richtigkeit des Erklärungsinhalts insbesondere auch in steuerlicher Hinsicht von entscheidender Bedeutung für die Urkundsbeteiligten sein kann. Zwar können offensichtliche Unrichtigkeiten auch nach Abschluss der Niederschrift durch einen vom Notar zu unterschreibenden Nachtragsvermerk richtiggestellt werden (§ 44a Abs. 2 BeurkG). Fraglich ist jedoch, ob auf diese Weise, rückwirkend rechtliche oder steuerliche Folgen der fehlerhaften Beurkundung geheilt werden können.
BFH entscheidet zu steuerlicher Relevanz
Hierzu hat kürzlich der BFH (Urt. v. 13.7.2022 – I R 42/18) geurteilt. Im Jahr 1991 schlossen zwei GmbHs einen notariellen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag (GAV). § 4 GAV („Dauer des Vertrages“) lautete wie folgt:
„1. Dieser Vertrag wird bis zum 31.12.1996 abgeschlossen. Seine Wirksamkeit beginnt mit Errichtung der Organgesellschaft.“ – Seitenumbruch – „3. Das Organ ist zu einer ordentlichen Kündigung so lange nicht berechtigt, als der Organträger am Organ mit mehr als 50 % des Stammkapitals beteiligt ist. 4. Eine vorzeitige Kündigung ist nur aus wichtigem Grund zulässig.“
Im Jahr 2012 fertigte der Amtsnachfolger des den GAV beurkundenden Notars einen Nachtragsvermerk gemäß § 44a BeurkG und stellte darin die offensichtliche Unrichtigkeit des Fehlens des Absatzes 2 des § 4 GAV richtig, dieser sollte lauten:
„2. Wird der Vertrag nicht 1 Jahr vor seinem Ablauf schriftlich gekündigt, verlängert er sich um jeweils 1 weiteres Jahr.“
Das Finanzamt war der Auffassung, die für die Jahre 2006-2009 abgeführten Gewinne seien im Hinblick auf die Beendigung des GAV als verdeckte Gewinnausschüttung zu werten.
Ergänzende Auslegung nur im Ausnahmefall
Voraussetzung für die Anerkennung einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft ist gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG iVm. § 17 Abs. 1 S. 1 KStG u.a. ein auf mindestens fünf Jahre abgeschlossener GAV, der auch zivilrechtlich wirksam ist. Der BFH prüft daher zunächst, ob der GAV in der Weise ergänzend ausgelegt werden kann, dass dessen fehlende Verlängerungsklausel in Absatz 2 Vertragsbestandteil gewesen ist. Dies lehnt er mit der Begründung ab, für diese Auslegung müssten sich im Vertrag oder aus allgemein zugänglichen Quellen eindeutige Anhaltspunkte ergeben. Diese strenge Auslegung sei notwendig, um den Finanzbehörden eine sichere Prüfungs- und Beurteilungsgrundlage zu geben, ob – durch die Organschaft – ausnahmsweise ein Steuersubjekt an die Stelle eines anderen Subjekts tritt. Deshalb war der Umstand, dass die von den Schwestergesellschaften der Klägerin am selben Tag abgeschlossenen Gewinnabführungsverträge sämtlich einen entsprechenden Absatz 2 enthielten, für das Gericht bei der Auslegung unerheblich.
Berichtigungsvermerk ohne Rückwirkung
Darüber hinaus bezweifelte der Senat, ob angesichts der fehlenden Andeutung eines bestimmten Regelungsinhalts im Vertrag überhaupt eine nach § 44a Abs. 2 S. 1 BeurkG berichtigungsfähige offensichtliche Unrichtigkeit vorliege. Jedenfalls aber könne in steuerrechtlicher Hinsicht ein Jahre später gefertigter Nachtragsvermerk nicht dazu führen, dass ein zuvor als beendet anzusehender GAV rückwirkend wieder auflebe und zur Grundlage für eine organschaftliche Einkommenszurechnung werde. Andernfalls wäre es in derartigen Fällen, in das Belieben der Vertragsparteien gestellt, mit welchem Inhalt sie den GAV in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen steuerrechtlich behandelt wissen möchten.
Fazit
Der vorliegende Fall zeigt exemplarisch welche verheerenden und irreparablen Wirkungen ein schlichter Übertragungsfehler bei einer mutmaßlichen Massenbeurkundung zahlreicher GAVs haben kann. Notaren und steuerlichen Beratern ist vor diesem Hintergrund zur äußerster Sorgfalt bei der Abfassung und Überprüfung der Vertragstexte zu raten.
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