Ein Klassiker in der Praxis des Notars und noch viel mehr der Gerichte ist die Frage der Arglist eines Verkäufers im Rahmen der Veräußerung einer Immobilie.
Haftungsausschluss ist die Regel
Relevant ist dieses Thema insbesondere deshalb, weil in Grundstückskaufverträgen über gebrauchte Immobilien die Haftung des Verkäufers für Sach- und Rechtsmängel in der Regel vollständig oder jedenfalls größtenteils ausgeschlossen wird.
Gesetzliche Regelung
Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer jedoch nach § 444 BGB dann nicht berufen, wenn er arglistig handelt. Arglist kann dabei entweder
– durch unmittelbare Täuschung (Vorsatz),
– durch Erklärung ins Blaue hinein (für möglich halten der Unrichtigkeit)
– oder durch Schweigen (trotz des Bestehens einer Aufklärungspflicht)
verwirklicht werden. Gerade die letztgenannten beiden Fallgruppen werden durch die Rechtsprechung immer weiter ausgedehnt. Dies zeigen auch die nachfolgenden obergerichtlichen Entscheidungen:
Rechtsprechung der OLGs
So hat das OLG Saarbrücken in seinem Urteil vom 18.03.2021 (Az. 4 U 69/21) eine Pflicht zur Offenbarung bereits dann angenommen, wenn dem Verkäufer aus einem singulären geringen Wassereintritt in das Untergeschoss der Immobilie, welcher 5 Jahre vor dem Verkauf durch einen Rückstau aus dem Straßenkanal verursacht worden war, das Fehlen einer funktionsfähigen Rückstausicherung bewusst sein musste. Es habe für den Verkäufer deswegen auf der Hand gelegen, dass jederzeit größere Mengen Wasser eindringen und dementsprechend größere Schäden verursachen könnten.
Das OLG München hat in seinem Urteil vom 02.09.2021, Az. 8 U 1796/18 auch denjenigen gewerblichen Verkäufer als arglistig qualifiziert, der lediglich versichert, eine bestimmte Kenntnis nicht zu haben, obwohl er weiß, dass ihm dazu derzeit keine aktuellen Informationen vorliegen. Die beklagte Verkäuferin hatte in den Kaufverträgen jeweils „ins Blaue“ versichert, dass ihr „verdeckte Mängel“ nicht bekannt seien, insbesondere … Altlasten“, obwohl sie wusste, dass sie hierüber wegen Abwesenheit ihres zuständigen Sachbearbeiters und mangels Vertretungsregelung für diesen keine aktuelle Kenntnis hatte. Tatsächlich war dem Sachbearbeiter während seiner Urlaubsabwesenheit ein Altlastengutachten übersandt worden, das Kontaminationen des Kaufgegenstands beinhaltete. Die Beklagte hätte sich nach dem Gericht entweder Kenntnis verschaffen müssen oder es wäre in den Kaufverträgen darauf hinzuweisen gewesen, dass sie hierüber wegen Abwesenheit des Sachbearbeiters keine aktuellen Erkenntnisse habe.
Aktuelle Entscheidung des BGH
Dagegen hat es der BGH in einer aktuellen Entscheidung (Urteil v. 28.05.2021, Az. V ZR 24/20) für die Annahme der Arglist nicht genügen lassen, wenn der Verkäufer dem Käufer nicht offenbare, dass das Gebäude zumindest teilweise in Schwarzarbeit errichtet wurde. Der Umstand, dass der Werkvertrag, den der Verkäufer mit dem Bauunternehmen geschlossen hatte, nach § 134 BGB nichtig sei, rechtfertige nicht den Schluss, dass abgesprochenen Leistungen nicht so erbracht wurden, wie sie bei Wirksamkeit des Bauvertrags zu erbringen gewesen wären. Da das Schwarzarbeitsbekämpfungs-gesetz lediglich sozialversicherungs-, steuer- und gewerberechtliche Vorgaben für Dienst- und Werkverträge vorsehen und gerade nicht die konkrete Leistungserbringung regele, könne ein Verstoß hiergegen auch kein mitteilungspflichtiges Indiz für das Vorhandensein von Mängeln in der Bauleistung sein.
Fazit
Vor dem Hintergrund der immer ausdifferenzierteren Rechtsprechung zur Arglist müssen Verkäufer und die von ihnen Beauftragten mit Aussagen in Bezug auch Sach- und Rechtsmängel sehr vorsichtig sein. In Zweifelsfällen sollte vorab der Rat eines Rechtsanwalts eingeholt werden.
Haben Sie zu diesem Thema Fragen oder Anregungen? Dann sprechen Sie meine Mitarbeiter oder mich gerne an.