Bereits im vergangenen Jahr hatten wir in unserem Newsblog über die neueste Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Berechnung der zehnjährigen Spekulationsfrist des § 23 EStG berichtet. Auch dieses Jahr scheint die Frage der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Immobiliengeschäften ein Dauerbrenner zu werden. Das liegt insbesondere auch daran, dass die zu beurteilenden Sachverhaltskonstellationen so vielschichtig sind.
Sachverhaltskonstellation des neusten BFH-Urteils
Dieses Mal hatte der BFH (Urt. v. 26.10.2021, Az. IX R 12/20) einen Fall zu entscheiden, dem verkürzt folgender Sachverhalt zu Grunde lag:
Die Klägerin schloss am 21.09.2000 mit dem Bundesland X und weiteren Erwerbern einen Vertrag betreffend den Erwerb von Grundstücksteilflächen zur Errichtung von Reihenhäusern. Der Klägerin wurde in diesem Vertrag das Recht eingeräumt, sich oder einen Dritten als Erwerber zu benennen. Mit Ablauf der Benennungsfrist am 30.06.2002 war die Klägerin selbst Erwerberin. Am 20.08.2001 benannte die Klägerin sich und ihren Ehemann als Erwerber eines Reihenmittelhauses. Die errichtete Immobilie wurde in der Folge vermietet und am 25.02.2011 mit Gewinn veräußert.
Finanzamt setzt Spekulationsteuer fest
Das Finanzamt setzte Einkünfte aus einem Veräußerungsgeschäft an. Die hiergegen erhobene Klage der Erwerber wurde vom BFH letztinstanzlich abgewiesen. Gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind Grundstücksveräußerungen steuerpflichtig, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt. Der BFH wiederholt dabei seine stetige Rechtsprechung wonach für die Fristberechnung jeweils die Zeitpunkte maßgeblich sind, in denen die Kaufverträge abgeschlossen wurden. Haben die Vertragspartner ihre Willenserklärungen bindend abgegeben, so sind nach dem Normzweck des § 23 EStG die Voraussetzungen für die Realisierung der Wertsteigerung verbindlich eingetreten.
Kein Aufschiebend bedingter Kaufvertrag
Vorliegend hatte die Vorinstanz einen aufschiebend (durch Ausübung der Benennung oder Nichtausübung) bedingten Kaufvertragsschluss angenommen, der die Frist bereits am 21.09.2000 ausgelöst habe. Zwar habe die Klägerin durch die Benennung auf das Geschehen Einfluss nehmen können, die Rechtsfolgen habe sie jedoch nicht mehr ändern können. Dies sieht der BFH grundlegend anders. In dem ursprünglichen Vertrag habe der Verkäufer ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags abgegeben (sog. Angebot mit Benennungsrecht). Wenngleich die Klägerin an die festgelegten Vertragsbedingungen gebunden war, sei in dem Abschluss eines Käuferbenennungsvertrags noch keine Annahme des Kaufangebots zu sehen. Eine Bindung bestand also zunächst nur für den Verkäufer.
Spekulationsfrist begann erst mit dem Selbsteintritt
Erst durch den Selbsteintritt habe die Klägerin die erforderliche rechtsgeschäftliche Annahmeerklärung abgegeben und damit bindend zum Ausdruck gebracht, dass sie das Angebot annehmen und das Grundstück erwerben wolle. Bis zur Selbstbenennung habe sie sich durch die einseitige Benennung eines Dritten als Erwerber einseitig von dem Kaufvertrag lösen können. Irrelevant für die Besteuerung sei auch, dass die Klägerin den Miteigentumsanteil auch ohne Ausübung des Benennungsrechts mit Ablauf der Benennungsfrist erworben hätte, weil dies als nicht verwirklichter Alternativsachverhalt unerheblich bleiben müsse.
Fazit
Auch dieser Fall zeigt erneut, dass die exakte Berechnung der Spekulationsfrist vor einem Grundstückverkauf nicht vernachlässigt werden darf. Der durch den Notar standardmäßig gegebene Warnhinweis auf eine möglicherweise drohende Steuerbelastung, sollte daher in Zweifelsfällen immer zu einer Konsultation eines Steuerberaters führen. Dieser wird nicht nur den genauen Ablauf der Haltefrist berechnen sondern in Abstimmung mit dem Notar ggf. die Umstellung des Vertrags auf eine vom BFH gebilligte alternative Gestaltung empfehlen.
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