Berlin zeigt sich entschlossen
Gemäß § 24 BauGB steht der Gemeinde ein Vorkaufsrecht zu beim „Kauf von Grundstücken“. In den vergangenen Jahren wurde jedoch insbesondere in Großstädten – ursprünglich allein aus grunderwerbsteuerlichen Motiven – eine Erwerbsform populär, bei der lediglich Gesellschaftsanteile einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft gekauft und übertragen werden; der sog. „share deal“. Die Vermeidung von Grunderwerbsteuer durch einen share deal wurde kürzlich durch das am 01.07.2021 in Kraft tretende Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetz erschwert. Nunmehr rückt die share deal – Praxis aber vermehrt auch unter dem Gesichtspunkt der Vereitelung des gemeindlichen Vorkaufsrecht in den Fokus.
Zum Zwecke des Milieuschutzes und zur Verhinderung des Erwerbs von Mietshäusern durch Finanzinvestoren erlangt das gemeindliche Vorkaufsrecht in Ballungsräumen, insbesondere aber in Berlin, eine immer größere Bedeutung. Bei einem share deal liegt aber gerade kein „Kauf eines Grundstücks“ im Sinne des Gesetzes vor, sodass die Behörden von derartigen Transaktionen – mangels Meldepflicht der Notare – in der Regel überhaupt keine Kenntnis erlangen. Dementsprechend wurden share deals häufig auch zur Umgehung des gemeindlichen Vorkaufsrechts genutzt.
In Berlin versucht das Bezirksamt Neukölln derzeit jedoch, einen share deal des Finanzinvestors Akelius zum Anlass zu nehmen, das gemeindliche Vorkaufsrecht auszuüben. Bereits im Jahr 2019 hatte die Verwaltung nach Mieterhinweisen auf einen entsprechenden Deal die Anteilskäufer zur Herausgabe der Vertragsunterlagen verpflichtet. Diese Herausgebeanordnung wurde sodann vom OVG Berlin-Brandenburg bestätigt (Az. OVG 2 S 46/20). Nach Einsicht in die Unterlagen hat das Bezirksamt im Mai 2021 das gemeindliche Vorkaufsrecht ausgeübt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Bereits im Verwaltungsprozess über die Vorlageanordnung der Unterlagen hatte das OVG festgestellt, dass in Umgehungsfällen, die kaufähnlich ausgestaltet sind, das Vorkaufsrecht der Gemeinde möglicherweise eingreifen kann. So hatte der BGH bereits im Jahr 2012 ein Vorkaufsrecht in einen Fall bejaht, in dem ein Grundstück in eine Gesellschaft eingebracht und anschließend die Gesellschaftsanteile entgeltlich an einen Dritten veräußert werden (Urt. v. 27.01.2012, Az. V ZR 272/10). In rechtlicher Hinsicht problematisch könnte für die Verwaltung jedoch Umstand werden, dass nach der Urteilsbegründung des BGH ein share deal nur dann zweifelsfrei als kaufähnlicher Vorgang zu beurteilen ist, wenn die grundstückshaltende Gesellschaft, erst unmittelbar vor der Anteilsveräußerung gegründet wird, das Grundstück einziger Vermögensgegenstand ist und sämtliche Gesellschaftsanteile im Rahmen derselben Transaktion auf einen Dritten übertragen werden.
Share deals werden aus steuerlichen Gründen dagegen regelmäßig in zweit Schritten strukturiert, in dem zunächst weniger als 95 % (zukünftig weniger als 90 %) veräußert werden und erst nach Ablauf der gesetzlichen Fristen (5 bzw. zukünftig 10 Jahre) die restlichen Anteile angekauft werden. Auch der vom BGH herangezogene Parteiwille ist beim share deal aus Steuergründen gerade nicht auf den Erwerb eines Grundstücks gerichtet. Inwiefern daher auf Grundlage der bestehenden Gesetzeslage eine Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrecht in share deal Konstellationen rechtmäßig ist, werden die Gerichte noch klären müssen.
Auch aufgrund der unklaren Rechtslage hatte der Berliner Senat im Februar diesen Jahres einen Gesetzesantrag in den Bundesrat eingebracht, durch den das gemeindliche Vorkaufsrecht ausdrücklich auch auf share deal – Gestaltungen ausgeweitet werden sollte. Notare wären dann verpflichtet, den Vorgang bei den Behörden anzuzeigen. Die Ausübungsfrist sollte von zwei auf vier Monate verlängert werden. Der Vorstoß wurde jedoch wegen „weiteren Beratungsbedarfs“ vorerst von der Tagesordnung genommen. Im Baulandmobilisierungsgesetz, dem der Bundesrat am 28.05.2021 zugestimmt hat, wurde zwar auch eine Ausweitung des gesetzlichen Vorkaufsrechts der Gemeinden vorgesehen (Verlängerung der Ausübungsfrist auf drei Wochen, Ausübung zum Verkehrswert), die Behandlung der share deal Fälle allerdings nicht aufgegriffen.
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