Der Wohnungsmangel in deutschen Großstädten führt zu immer ausgefalleneren rechtlichen Konstruktionen, um Mieter aus ihren Wohnungen kündigen zu können. Mit einem Sachverhalt aus dieser Kategorie hatte sich nun kürzlich auch der BGH Beschluss vom 30.03.2021, Az. VIII ZR 221/19) zu befassen.
Sachverhalt
Eine vermögensverwaltende Familienaktiengesellschaft war Eigentümerin einer in München gelegenen Eigentumswohnung. Als juristische Person hat die AG, ebenso wenig wie ihr Vorstand ein Recht zur Kündigung wegen Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Auf entsprechende anwaltliche Beratung hin übertrug daher die AG ohne Gegenleistung einen 5 % Anteil an der Wohnung auf die gerade volljährige Tochter des Vorstands. Nach Eintragung im Grundbuch kündigten die Miteigentümer wegen angeblichen Eigenbedarfs der Tochter, die in München ein Studium aufnehmen wolle.
Grundsätzlich bei Vermietermehrheit Eigenbedarf möglich
Das LG München und anschließend auch der BGH geben den Mietern, die sich gegen die Kündigung und Räumungsklage zur Wehr gesetzt haben, recht. Grundsätzlich sei zwar davon auszugehen, dass einer Vermietermehrheit von mehreren Eigentümern oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Kündigungsrecht nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB bereits dann zusteht, wenn sich nur ein Miteigentümer bzw. Gesellschaft als natürliche Person auf Eigenbedarf berufen kann. Die Höhe der jeweiligen Beteiligung ist dabei prinzipiell nicht ausschlaggebend. Auch ist es in der Regel unschädlich, wenn der den Eigenbedarf geltend machende Miteigentümer/Gesellschafter erst nachträglich in die Gemeinschaft bzw. Gesellschaft eintritt.
Hier verstößt Eigenbedarfskündigung gegen Treu und Glauben
Im zu entscheidenden Fall stellen die Richter bei Würdigung der Gesamtumstände jedoch darauf ab, dass die Vermieter in rechtsmissbräuchlicher Weise mit der Übertragung eines Kleinstanteils lediglich das Ziel verfolgten, eine Eigenbedarfskündigung zu ermöglichen. Damit würde der Kündigungsschutz, den Mieter bei einer vermietenden Kapitalgesellschaft genießen, bewusst umgangen. Bei gerichtlicher Billigung des durch die Kläger geschaffen Rechtskonstrukts sei durch die Verallgemeinerung dieses Vorgehens die Aushöhlung des Mieterschutzes vor Eigenbedarfskündigungen zu befürchten.
Übertragung aus anderen Gründen fragwürdig
Richtigerweise ist das Vorgehen der Vermieter nicht nur als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten, sondern verstößt wohlmöglich sogar auch gegen aktienrechtliche und strafrechtliche Vorschriften. So hätte der Tochter des Vorstands, die selbst Aktionärin war, kein Gesellschaftsvermögen ohne Gegenleistung überlassen werden dürfen (§§ 57, 62 AktG). Im Raum steht aus demselben Grund auch der Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) durch das Verhalten des Vorstands und des beratenden Anwalts.
Fazit
Nicht jede von findigen Juristen ausgedachte Konstruktion führt zu dem gewünschten Ergebnis. Dient die Transaktion ersichtlich allein der Umgehung wesentlicher gesetzlicher Schutzvorschriften, sollten Rechtsanwälte und Notare hiervon abraten und ggf. ihre Mitwirkung verweigern.
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