Da das deutsche Erbrecht bekanntlich von dem Prinzip des Vonselbsterwerbs (Anfallprinzip) geprägt ist, sieht das BGB für den berufenen Erben das Recht vor, sich der bei ihm angefallenen Erbschaft durch Ausschlagungserklärung zu entledigen (§ 1942 Abs. 1 BGB). Zumeist erfolgen Erbausschlagungen bei überschuldeten oder intransparenten Nachlasskonstellationen. Zum Teil erklären Erben aber auch bei werthaltigen Nachlässen die Ausschlagung, um durch ihren Wegfall aus der Erbfolge eine andere, als Erbe nachrückende Person zu begünstigen (sog. lenkende Erbausschlagung).
Klassische Fehler bei der lenkenden Erbausschlagung
Die wirksame Ausschlagung führt dazu, dass der Anfall der Erbschaft an den Ausschlagenden als nicht erfolgt gilt, und zwar rückwirkend auf den Erbfall. Die Vorschriften über die Erbschaftsausschlagung regeln selbst nicht, wer an die Stelle des Ausschlagenden tritt. Die Erbschaft fällt vielmehr demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (§ 1953 Abs. 2 BGB). Auf dieser Grundlage ist der Nächstberufene nach den allgemeinen Regeln der gewillkürten oder gesetzlichen Erbfolge zu ermitteln.
Hierbei unterlaufen insbesondere rechtlich nicht beratenen Erben immer wieder gravierende Fehler. Eine klassische Fehlvorstellung begegnet Notaren immer wieder in Fällen, in denen (etwa nach gesetzlicher Erbfolge) der überlebende Ehegatte neben den gemeinsamen Kindern der Eheleute geerbt hat. Hier wird oftmals versucht, das zu Lebzeiten nicht verfasste Berliner Testament dadurch nachträglich zu gestalten, dass sämtliche Kinder und deren Abkömmlinge das Erbe ausschlagen, um mutmaßlich dem überlebenden Elternteil die Alleinerbschaft zukommen zu lassen. Dabei wird regelmäßig übersehen, dass dem überlebenden Ehegatten gemäß § 1931 Abs. 2 BGB nur dann die gesamte Erbschaft zufällt, wenn weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden sind. Nicht selten erben dann anstelle der ausschlagenden Kinder die Geschwister des Erblassers.
Folgefrage der Anfechtung wegen Erklärungsirrtum
Dem OLG Hamm lag nun ein vergleichbarer Sachverhalt zur Entscheidung vor. In seinem Beschluss vom 21.04.2022 (Az. I-15 W 51/19) hatte er über die Folgefrage zu entscheiden, ob die ausschlagenden Kinder berechtigt sind, ihre jeweilige Ausschlagungserklärung wegen Irrtum über den Inhalt der Erklärung anzufechten (vgl. § 119 Abs. 1 BGB). Rechtlich geht es dabei um die Frage, ob es sich bei dem Irrtum über die Person des nächstberufenen Erben um einen echten Erklärungsirrtum handelt, oder ob er als bloßer Motivirrtum über eine mittelbare Rechtsfolge unbeachtlich bleiben muss.
Das OLG Hamm schließt sich der restriktiven Auffassung verschiedener Oberlandesgericht an, die in derartigen Konstellationen keinen beachtlichen Erklärungsirrtum annehmen wollen. Dagegen haben das OLG Düsseldorf sowie das OLG Frankfurt jeweils in zwei Entscheidungen die Anfechtung zugelassen.
Fazit
Die Frage der Zulässigkeit der Anfechtung einer Erbausschlagung wegen Irrtums über den Nächstberufenen ist in Literatur und Rechtsprechung höchstumstritten. Wahrscheinlich wird aufgrund der divergierenden Entscheidungen einzelner Gerichte der BGH hierzu Stellung nehmen müssen. Umso wichtiger ist es daher, vor einer geplanten lenkenden Erbausschlagung sicherzustellen, dass die Erbschaft bei der richtigen Person anfällt. Hierfür ist eine umfassende rechtliche Beratung durch einen Rechtsanwalt oder Notar unabdingbar.
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