klühs notar

Keine Pflicht des Eigentümers zur Herausgabe von Nutzungen an einen Wohnungsberechtigten

Werden Immobilien zu Lebzeiten im Wege der vorweg genommen Erbfolge übertragen, werden sehr häufig Nutzungsrechte an (Teilen) der Immobilie vereinbart. Neben dem sog. Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB), welcher ein umfassendes Nutzungsrecht einschließlich Vermietungsmöglichkeit vermittelt, finden sich in Übergabeverträgen regelmäßig auch sog. Wohnungsrechte (§§ 1093, 1090 BGB). Dem Wohnungsberechtigten steht in Abgrenzung zum Nießbrauch lediglich das Recht zu, ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung zu benutzen.

Problem bei Nichtausübung des Wohnungsrechts

Ein Nutzungsvakuum entsteht deshalb regelmäßig dann, wenn der Wohnungsberechtigte die Immobilie nicht (mehr) zu eigenen Wohnzwecken nutzen kann oder will. Füllt der Eigentümer diese Vakanz durch eine eigene Nutzung oder eine Fremdvermietung stellt sich die Folgefrage, ob er verpflichtet ist, die gezogenen Nutzungen an den Wohnungsberechtigten herauszugeben.

BGH bereits 2012 gegen Herausgabe von Mieteinkünften

Bereits im Jahr 2012 hatte der BGH entschieden, dass der Wohnungsberechtigte gegen den eigenmächtig vermietenden Eigentümer keinen Anspruch auf Auskehrung der vereinnahmten Mieten aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB) hat (Urt. v. 13.07.2012 – Az. V ZR 206/11). Der vermietende Eigentümer erlange zwar den mittelbaren Besitz an der Wohnung, nicht aber die vereinnahmten Mieten auf Kosten des Wohnungsberechtigten. Die Nutzungen seien dem Wohnungsberechtigten nicht zugewiesen, denn er habe keinen Anspruch gegen den Eigentümer auf Gestattung der Vermietung.

Nichts Anderes gilt bei Selbstnutzung durch den Eigentümer

Diese Rechtsprechung bestätigte er nun jüngst für einen Sachverhalt, in dem der Eigentümer selbst in die Wohnung eingezogen war, die seine Schwester als Wohnungsberechtigte nicht nutzen wollte (BGH, Urt. v. 23.3.2023 – V ZR 113/22). Der Eigentümer, der die von dem Wohnungsrecht erfassten Räume anstelle des dort nicht wohnenden Berechtigten als Wohnung benutzt, werde dadurch nicht auf Kosten des Wohnungsberechtigten bereichert. Der Vorteil, den der Eigentümer aus der Wohnnutzung ziehe, sei dem Wohnungsberechtigten nicht zugewiesen, da diesem nur der eigene Gebrauch der Wohnung zustehe Folglich habe der Wohnungsberechtigte auch keinen Anspruch darauf, die Vorteile abzuschöpfen, die der Eigentümer durch eine unentgeltliche Eigennutzung ziehe.

Fazit

Der Wohnungsberechtigte kann somit von einem Eigentümer lediglich die Unterlassung der vertragswidrigen Nutzung und bei Störung der eigenen Wohnabsichten ggf. Schadenersatz verlangen. Soll der Berechtigte die vom Eigentümer gezogenen Nutzungen abschöpfen können, so ist im Rahmen der Übertragung anstelle des Wohnungsrechts gleich ein umfassender Nießbrauch zu vereinbaren. Soll das Recht dagegen auf die eigene Wohnnutzung beschränkt bleiben, wird es sich zur Vermeidung eines Nutzungsvakuums regelmäßig anbieten, eine Löschung des Rechts für den Fall vorzusehen, dass eine eigene Nutzung durch den Berechtigten aufgrund von Krankheit oder fehlendem Willen dauerhaft ausgeschlossen ist.

Haben Sie zu diesem Thema Fragen oder Anregungen? Dann sprechen Sie meine Mitarbeiter oder mich gerne an.

Dr. Hannes Klühs

29 Sep., 2023

Weitere Themen

Allgemein
Aufgelassene Grundstücke zählen für die Notarkostenberechnung nicht mehr zum Vermögen

Aufgelassene Grundstücke zählen für die Notarkostenberechnung nicht mehr zum Vermögen

Die richtige Reihenfolge der Beurkundungen kann maßgeblich sein für die Notarkosten. Ein aktueller Fall des OLG Frankfurt am Main betraf die Frage, ob bei der Beurkundung einer General- und Vorsorgevollmacht Grundstücksvermögen berücksichtigt werden muss, das zum Zeitpunkt der Vollmachtserrichtung bereits aufgelassen – also durch einen zuvor beurkundeten Übertragungsvertrag disponiert – war.

Mehr

ImmobilienrechtNachfolgeplanung und Vorsorge
Vertretungsausschluss bei Vermögensübertragungen auf Minderjährige: OLG Düsseldorf folgt neuer BGH-Linie

Vertretungsausschluss bei Vermögensübertragungen auf Minderjährige: OLG Düsseldorf folgt neuer BGH-Linie

Wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder bei Rechtsgeschäften vertreten, sieht §§ 1629 Abs.2, 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB einen Ausschluss vor, sobald es um ein Geschäft mit Verwandten in gerader Linie geht.Über Jahrzehnte war es herrschende Meinung, dass dieser Ausschluss eines Elternteils, sich auch auf das andere Elternteil erstreckt. Der Bundesgerichtshof hat diese starre Sichtweise 2021 aufgebrochen.

Mehr

AllgemeinImmobilienrechtSteuerrecht
Spekulationsteuer bei teilentgeltlicher Grundstücksübertragung

Spekulationsteuer bei teilentgeltlicher Grundstücksübertragung

Bei einem Verkauf einer fremdgenutzten Immobilie innerhalb von 10 Jahren ist der Hinwies auf die Gefahr einer Gewinnbesteuerung gemäß § 23 EStG obligatorisch. Weniger eindeutig ist eine derartige Steuer allerdings, wenn ein Grundbesitz ohne die Zahlung eines Kaufpreises innerhalb der Familie übertragen wird.  Für diese Fallkonstellation hat nun der Bundesfinanzhof in einem aktuellen Urteil (v. 11.03.2025, Az. IX R 17/24) an seine Grundsätze zur sog. Trennungstheorie erinnert.

Mehr

Immobilienrecht
Fertigstellungsrate im Bauträgervertrag wird mit Abnahme fällig

Fertigstellungsrate im Bauträgervertrag wird mit Abnahme fällig

Die Schlussrate nach der Makler- und Bauträgerverordnung, häufig auch als „Fertigstellungsrate“ bezeichnet, sorgt in der Praxis des Bauträgervertrags seit jeher für Diskussionen. Denn während der Gesetzgeber von der „vollständigen Fertigstellung“ spricht, bleibt die Frage offen, ob damit tatsächlich eine mängelfreie Herstellung gemeint ist oder ob es auf die Abnahmereife ankommt, d.h. ob unwesentliche Mängel nicht entgegenstehen.

Mehr

ImmobilienrechtSteuerrecht
Doppelte Festsetzung von Grunderwerbsteuer für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen beim Auseinanderfallen von Signing und Closing – BFH-Beschluss vom 09.07.2025 – II B 13/25

Doppelte Festsetzung von Grunderwerbsteuer für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen beim Auseinanderfallen von Signing und Closing – BFH-Beschluss vom 09.07.2025 – II B 13/25

Share Deal Transaktionen, bei denen Anteile an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften erworben werden, erfolgen häufig in zeitlicher Hinsicht durch ein „Signing“ und ein zeitlich danach stattfindendes „Closing“. Hier kam es in der Vergangenheit aufgrund der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung nicht selten zu einer doppelten Erhebung von Grunderwerbsteuer. Zu dieser Rechtspraxis hat nun erstmals der BFH Stellung bezogen.

Mehr

Immobilienrecht
Pflicht zur Offenbarung der Kenntnis über die Ausübung eines Vorkaufsrechts

Pflicht zur Offenbarung der Kenntnis über die Ausübung eines Vorkaufsrechts

Gesetzliche Vorkaufsrechte der Gemeinde sorgen bei ihrer Ausübung regelmäßig für großen Frust und Schäden auf der Käuferseite, insbesondere wenn der Kaufpreis finanziert wird. Das OLG Hamburg hatte nun darüber zu entscheiden, ob ein Verkäufer von Immobilien, der bereits Kenntnis von der Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts Dritten hatte, diese Information dem Notar und dem ursprünglichen Käufer offenbaren muss, bevor der Kaufvertrag beurkundet wird.

Mehr

Immobilienrecht
Pflicht zur Beschaffung der Lastenfreistellungsunterlagen als Erfolgspflicht des Verkäufers

Pflicht zur Beschaffung der Lastenfreistellungsunterlagen als Erfolgspflicht des Verkäufers

Nach einer aktuellen Entscheidung des BGH handelt es sich bei der im Grundstückskaufvertrag übernommenen Verpflichtung des Grundstücksverkäufers, für die Sicherheit der Löschung der nicht übernommenen Lasten zu sorgen, um eine Erfolgspflicht. Das bloße Bemühen um die Pflichterfüllung genüge zur Pflichterfüllung nicht. Als eine angemessene Frist zur Pflichterfüllung definiert der BGH einen Zeitraum zwischen vier Wochen und zwei Monaten.

Mehr

Unternehmensrecht
Registergerichtliche Kontrolle bei wirtschaftlicher Neugründung

Registergerichtliche Kontrolle bei wirtschaftlicher Neugründung

Werden im Zuge der Übertragung sämtlicher Anteile an einer GmbH auch Änderungen des Gesellschaftsvertrags wie z.B. Firma, Sitz und Unternehmensgegenstand vorgenommen, wie dies etwa bei der Verwendung eines „GmbH-Mantels“ oder einer Vorratsgesellschaft der Fall ist, dann liegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine sog. wirtschaftliche Neugründung vor. Auf diese sind die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften entsprechend anzuwenden, d.h. der Geschäftsführer hat den Umstand gegenüber dem Registergericht offenzulegen und die in §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2und 3 GmbHG vorgesehene Versicherung abzugeben.

Mehr

Immobilienrecht
Brücker und Klühs Eingangsbereich
Mehrkosten für Beurkundungen in ungünstiger Reihenfolge

Mehrkosten für Beurkundungen in ungünstiger Reihenfolge

Notare sind über § 17 BeurkG gesetzlich zunächst dazu verpflichtet, die für die Beteiligten sicherste Vertragsgestaltung zu wählen. Stehen bei gleicher Sicherheit mehrere Gestaltungsvarianten offen, müssen sie den Weg beschreiten, der bei ihnen und anderen Stellen die geringsten Kosten auslöst. Wenn Mehrkosten nur deshalb entstehen, weil der Notar mehrere unmittelbar aufeinanderfolgende Beurkundungen in einer für die Beteiligten ungünstigen Reihenfolge vornimmt, ohne dass es sachlich gerechtfertigt wäre, sind die Kosten soweit nicht zu erheben, als sie den Betrag übersteigen, der bei korrekter Verfahrensweise zu bezahlen wäre.

Mehr